Barnstedt Kolkhagen
Diese Luftaufnahme zeigt die Gutskapelle in Barnstedt.
Das genaue Aufnahmedatum ist bisher nicht bekannt, das Foto dürfte in den 60er Jahren entstanden sein. Damals musste dafür tatsächlich noch ein richtiges Flugzeug über den Dächern unserer Gemeinde umherfliegen - heutzutage reicht hierfür eine kleine Drohne aus der Jackentasche aus. Und so, wie sich die Technik weiterentwickelt hat, so hat sich offenkundig auch das Umfeld der Gutskapelle gewandelt.
Unten rechts ist im Anschnitt das heutige Wohnhaus von Dorle v. Estorff zu erkennen. Der Betrachter schwebt also gewissermaßen über dem Gutsgebäude mit Blick in Richtung Süden.
Vorne rechts neben der Gutskapelle lag der damalige Gemüsegarten des Guts, in dem in parallelen Reihen Spargel angebaut wurde. Auf der großen Fläche wuchsen zusätzlich Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren und diverse Gemüsesorten.
Oben rechts im Bild, oberhalb der kleinen Baumreihe, ist der Garten von Frau Lemcke, der Frau des damaligen Gutsverwalters, zu sehen.
In dem heutigen Wohnhaus von Dorle v. Estorff lebten in den 60er Jahren noch die Schweine in ihren Ställen. Oben links im Bild seht Ihr die zugehörige Schweinewiese.
Trotz der unmittelbaren Nähe zur Gutskapelle wurden die Gottesdienste offenbar nicht durch unangenehme Gerüche beeinträchtigt...
Der Weg, der zwischen den beiden Gärten hindurchführt, diente den Schweinen dazu, zwischen Wiese und Stall hin- und herzuwechseln.
Die Errichtung der Gutskapelle ist auf die Initiative dreier Brüder von Estorff zurückzuführen.
Otto VI. von Estorff (1500-1557), der als erstes Mitglied der Adelsfamilie zum lutherischen Glauben übergetreten war, agierte schließlich auch als Stifter dieses idyllischen Gebäudes. Damit handelte er vermutlich ganz im Sinne seines Freundes, dem damals regierenden Landesfürsten, Herzog Ernst der Bekenner. Mit ihm gemeinsam trat Otto VI. für die Verbreitung des "neuen Glaubens" ein.
Ludolph XIV von Estorff (1533-1602) verwirklichte das Projekt als ihr Erbauer. Im Jahr 1593 wurde das architektonische Kleinod vollendet.
Das Gebäude befand sich ursprünglich weiter rechts im Bild an der heutigen Hauptstraße, die durch Barnstedt führt. Dort erwies sich der Untergrund allerdings als zu nass. Daher veranlasste Ludolph Otto II. von Estorff (1696-1759) die Umsetzung der Gutskapelle an ihren heutigen Standort. Die Translokation erfolgte nach altbewährtem Prinzip auf "Rollen".
In den 1980er Jahren wurde die Gutskapelle restauriert und in den heutigen Zustand versetzt.
Im Rahmen dieser Instandsetzung wurden zufällig die dekorativen Deckenmalereien entdeckt und anschließend freigelegt. Im Rahmen einer späteren Führung wurde Christian v. Estorff gefragt, was diese Malereien an der Decke wohl darstellen mögen. Ein Kind hatte spontan eine überzeugende Antwort: "Das sind alles Briefe an den lieben Gott."
Auf dieser Aufnahme von etwa 1956 ist Dorle v. Estorff als junge Frau im Alter von etwa 21 Jahren während der Ausgabe der Milch auf dem Rittergut zu sehen. Das dargestellte Gebäude ist jenes direkt auf der rechten Seite, wenn man heute auf den Hof des Ritterguts fährt.
Jeden Montag wurden in Barnstedt Milchmarken ausgeteilt - für halbe oder für ganze Liter Milch. Diese Milchmarken konnten im Büro des Ritterguts gekauft werden und dienten als Bargeldersatz, nicht als Nahrungsmittelration.
Nachmittags zwischen 17 und 18 Uhr konnten diese Marken bei Dorle gegen Milch getauscht werden. Das Eichamt kam etwa alle halbe Jahr auf den Hof, um die Litermaße zu prüfen.
Die Milchwirtschaft spielte damals in Barnstedt noch eine große Rolle.
Die Kühe mussten noch aufwändig mit der Hand gemolken werden und die Milch wurde nicht nur verkauft sondern diente auch als Tauschmittel. Von der Molkerei erhielt Dorle dafür Butter und Sahne und vom Bäcker das Brot. Diese Selbstversorgung mit eigenem Gemüseanbau und eigener Tierhaltung spielte für die meisten Einwohnerinnen und Einwohner eine wichtige Rolle.
Damals waren in Deutschland auch noch Deputatarbeiter üblich, also Landarbeiter, die teilweise in Naturalien entlohnt wurden wie Getreide, Milch, Wohnraum und Brennholz.
Eine Kuherde hatte in Barnstedt u.a. die Familie v. Estorff, die Familie Dierßen hatte bis zuletzt eine Herde, sie waren die letzten in Barnstedt, die die Kuhhaltung einstellten.
Spaziergänger, die Barnstedt vom Butterberg aus in südlicher Richtung verlassen, werden nach etwa 10 Minuten am Wegesrand auf die Grundmauern des ehemaligen Schafstalls stoßen. In unmittelbarer Nähe befindet sich auf einer Anhöhe der Grabstein von Erbherr auf Gross-Dratow Georg Lemcke (7.10.1880 - 30.03.1961) und dessen Frau Erika (18.06.1888 - 3.02.1980). Siehe hierzu auch die online-Karte auf dieser Webseite.
Welche Verbindung besteht zwischen diesem Ehepaar und Barnstedt und wie ist der Grabstein an diesen abgelegenen und offenbar mit Bedacht ausgewählten Ort gelangt?
Eine Recherche bei Wikipedia führt zu keinem Ergebnis. Dorle v. Estorff konnte Dank ihrer persönlichen Erfahrungen und ihres Namensgedächtnisses (wieder einmal) die Zusammenhänge erläutern.
Erbherr auf Gross-Dratow Georg Lemcke stammte ursprünglich von dem stattlichen Anwesen Groß-Dratow in Mecklenburg-Vorpommern. Gegen Ende des 2. Weltkrieges musste er vor der herannahenden russischen Armee fliehen, zunächst nach Schleswog-Holstein.
Ab 1950 bewirtschaftete er das Gut in Barnstedt für den Schwiegervater von Dorle v. Estorff, mit dem er befreundet war, bis etwa zu Dorles Hochzeit.
1961 starb Erbherr auf Gross-Dratow Georg Lemcke in Barnstedt, 1980 seine Frau Erika.
Ein Begräbnis in Mecklenburg-Vorpommern, also in der damaligen DDR, war nicht möglich, daher fand die Bestattung auf dem Friedhof in Barnstedt statt.
Als die Grabstelle ablief, wurde beschlossen, den Grabstein zu bewahren und an einem würdigen Ort zu platzieren. So gelangte er auf Initiative von Christian v. Estorff an diesen ruhigen Platz inmitten der Natur mit Ausblick auf die Feldmark.
Eine Rückführung der Verstorbenen nach Mecklenburg-Vorpommern bietet sich nicht an, da die gesamte Familie geflohen war und nicht mehr dorthin zurückgekehrt ist.
Und so liegen die Gebeine von Erbherr auf Gross-Dratow Georg Lemcke und seiner Frau Erika weiterhin auf dem Barnstedter Friedhof, dort, wo heute der Brunnen zu finden ist.
Christian Granse aus Barnstedt verfügt über drei Aquarelle, die in den 1950er/60er Jahren hier in unserem Dorf angefertigt wurden.
Christian hat als kleines Kind im Haus Tabor gewohnt. 1963 zog seine Familie auf den Hof von Selma Schröder, der Großmutter von Karl-Heinrich Meyer, wo er bis 1982 lebte.
Christians Großtante Frieda Schröder, die Tante seiner Mutter, betrieb eine Pension am Mühlenberg 7 gegenüber von Haus Tabor. Dort verbrachten Sommergäste gerne ihre Urlaubstage, u.a. auch Frau Kennemann, die Urheberin der heute noch existierenden Aquarelle.
Frau Kennemann hat ihre Ferien in Barnstedt verbracht und in dieser Zeit ihre Zeichnungen angefertigt.
Auf diesem Aquarell ist die alte Ziegelei zu sehen. In dem rechten Gebäude wohnten damals vier Familien/Parteien, was auch an der Zahl der Schornsteine zu erkennen ist.
Ein Vergleich dieses Aquarells mit den Luftaufnahmen aus damaliger Zeit zeigt, dass es sich um eine durchaus realistische Darstellung handelt. Die Gebäudefront scheint allerdings nicht exakt dargestellt worden zu sein. Es fehlen Haustüreingänge, die sich damals auf der dem Betrachter zugewandten Gebäudeseite befanden.
Frieda Schröder wurde in diesem Haus in der ganz linken Wohnung geboren, wo ihre Eltern lebten und als Tagelöhner auf dem Gut arbeiteten. Bis 1951 lebte Frieda Schröder in der alten Ziegelei. 1951 hat sie vermutlich gemeinsam mit ihren Eltern die Pension gekauft.
Diese Darstellung der Barnstedter Gutskapelle gehört zu jener Serie von Aquarellen, die von Frau Kennemann angefertigt wurden.
Einführende Informationen hierzu stehen in der Bildbeschreibung des Ziegelei-Aquarells.
Zunächst mag der Eindruck entstehen, die Bäume in der Abbildung seien eventuell der Fantasie der Künstlerin entsprungen.
Ein Vergleich mit der historischen Luftaufnahme zeigt allerdings, dass es sich bei dem Aquarell offenbar um eine zumindest sehr realitätsnahe Szenerie handelte. Die Luftaufnahme zeigt sowohl die Baumreihe rechts im Aquarell als auch das Buschwerk hinten links und den Zaun.
Wo jedoch sind die Bäume geblieben, die sich angeblich vor dem Kapelleneingang befunden haben sollen? In der Fotografie sind an dieser Stelle Strukturen zu erkennen, bei denen es sich offenbar um die Baumstümpfe dieser inzwischen gefällten Pflanzen handelt. Es passt also alles im wahrsten Sinne des Wortes ins Bild.
Die Gutskapelle wurde auf Initiative von Luleff (Ludolph) XIV. von Estorff im Jahr 1593 in Barnstedt errichtet.
Im Jahr 1731 fand eine umfassende Restaurierung statt, in dessen Rahmen die Kapelle mit einem neuen Altar, einer neuen Kanzel und einem neuen Glockenturm ausgestattet und an den heutigen Platz gerückt wurde.
Es folgten teilweise herausfordernde Zeiten, z.B. die Stürme der Franzosenzeit (1803-1814), unter denen auch der Zustand der Gutskapelle erheblich litt.
1882 hörten die bis dahin regelmäßig stattfindenden Gottesdienste in der Kapelle auf, die fortan ungenutzt als Ruine in Barnstedt stand bis Baron Albrecht v. Estorff auf Veerßen im Jahr 1893, also 300 Jahre nach der ursprünglichen Stiftung, beschloss das Gebäude einer grundlegenden Restaurierung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde der Eingang von der Nordseite auf die Westseite verlegt.
Am 12. November 1893 wurde die Kapelle von Pastor Gottsleben feierlich eingeweiht.
1985 erfolgte eine Grundrenovierung der Gutskapelle. Dabei wurde das Fachwerk der Giebelfront wieder sichtbar gemacht.
Diese Darstellung gehört zu jener Serie von Aquarellen, die von Frau Kennemann angefertigt wurden.
Einführende Informationen hierzu stehen in der Bildbeschreibung des Ziegelei-Aquarells.
Bis in die etwa 1960er Jahre gehörte eine Schafherde zum festen Bestandteil des Barnstedter Guts.
Am 3. Weihnachtstag wurden in Barnstedt immer die Schafe geschoren und die Wolle zum Trocknen auf dem Boden des Gutshauses ausgebreitet. Die trockene Wolle wurde anschließend in Säcke verpackt, per Bahn nach Paderborn transportiert und dort versteigert. Mit der zunehmenden Verbreitung der Kunstfasern in der Textilindustrie sank die Nachfrage nach dem natürlichen Produkt Wolle und entsprechend auch der damit zu erzielende Erlös. Aus diesem Grund musste die Schafhaltung am Ende leider eingestellt werden, die gesamte Herde wurde verkauft. Der letzte Schäfer, Herr Schön, hätte aus gesundheitlichen Gründen ohnehin seine Arbeit einstellen müssen.
Der damalige Winterschafstall befindet sich noch heute auf dem Rittergut.
Ein Neffe von Dorle v. Estorff hatte in Paris die darstellende Kunst der Pantomime gelernt und nutzte das mit zwischenzeitlich mit einer Bühne ausgestattete Gebäude regelmäßig für seine Aufführungen. Inzwischen dient der Stall als Lager.
Von dem Sommerschafstall, der sich in der Barnstedter Feldmark befand, existieren inzwischen nur noch die Grundmauern.
Dieser Sommerschafstall wurde auf dem hier vorgestellten Aquarell dargestellt.
Ein Vergleich mit historischen Fotoaufnahmen zeigt, dass die Darstellung zumindest zum größten Teil den realen Begebenheiten entsprochen haben dürfte. Vielleicht wurde während des Zeichnens der Verfall des Gebäudes etwas geschönt.